Gastbeitrag von Thomas de Kiff
England ist in mancher Hinsicht sehr speziell. Matschiges Frühstück, Boris Johnson, Five- o‘clock-Tea, Linksverkehr und Campingplätze, die so „posch“ sind, dass man sich kaum traut den Grill vor das WoMo zu stellen.
Markierungspfosten mit den Stellplatznummern signalisieren exakt, wo und wie man einzuparken hat. Und Wehe, man verfehlt sein Ziel um wenige Zentimeter. Dann kommt ein freundlicher Platzwart und entschuldigt sich dafür, dass anscheinend das Platzieren des WoMos in der Rezeption nicht hinreichend erklärt wurde.
In guter Regelmäßigkeit sieht der leicht verstörte Kontinental-Europäer auf dem Tresen der Rezeption Spielzeug-WoMos stehen. Nein, die hat da kein Kind vergessen. Beim Einchecken erhält der Gast nämlich eine höchst anschauliche Lektion im „British-Motorhome-Parking“.
Mit demonstrativer Langeweile und fragendem Blick, ob das bei dem ausländischen Urlauber überhaupt ankommt, wird das Miniatur-WoMo vorschriftsmäßig neben die aufgemalte Einparkstange gezirkelt. Dass der Mitarbeiter dabei zur Unterstützung der Anschaulichkeit keine Motorengeräusche brummt, ist fast schon skandalös.
Ähnlich kommunikationsfreundlich geht es auf dem kompletten Campingplatz zu, völlig egal wo man hinkommt. Jeder grüßt jeden und lässt im Vorübergehen noch einen kleinen Smalltalk folgen, gelegentlich gewürzt mit englischem Humor. Im engen Flur eines Sanitärbereiches begegnet mir ein ähnlich vollschlanker Camper: „Hi“, tönt es mir entgegen. „Zwei Männer zur gleichen Zeit am falschen Ort.“ Ich liebe es!
Einer der besonders „poschen“ Campingplätze der Caravan- and Motorhome Clubs in der Nähe von Burford.
Mag die Infrastruktur manch englischer Campingplätze noch so knöchern wirken,- man wird durch das freundliche, offene Wesen der Engländer mehr als nur entschädigt. Nicht selten stand unser zwischenzeitlich verstorbener Rolli-Hund Lotta dabei im Mittelpunkt. Kein Gaffen, sondern echtes Interesse und das obligatorische „God bless her“ waren regelmäßig zu hören. Anteilnahme und ungekünsteltes Interesse.
Es ist eine Binsenweisheit: Die Engländer sind Weltmeister im Entschuldigen.. Selbst Kinder beherrschen die Disziplin bereits in jungen Jahren und stellen den ausländischen Besucher damit vor Rätsel. So erlebte ich es auf einem Campingplatz in Cornwall. Da ging ein vielleicht sieben,- achtjähriger Steppke hinter mir her. Ich hielt ihm das selbstschließende Gattertor auf. Ein strahlendes Lächeln, sein „Thank you“ und ein,“sorry, excuse me“ folgten blitzeschnelle.
Als nicht in die Mentalität englischer Kinder eingeweihter Deutscher stand ich auf der Leitung. Sorry? Excuse me? Wieso entschuldigt sich der Knirps? Der Groschen fiel einige Sekunden später: Er hatte sich für die Zumutung entschuldigt, ihm das Gattertor aufgehalten zu haben. Darauf muss man erst mal kommen.
Und wo wir schon mal bei den positiven Erfahrungen mit englischen Campingplätzen sind: Die Stellplätze, sogenannte „Pitches“ sind riesig. Zwischen den einzelnen Parzellen findet man zusätzlich Grasflächen als Abstandshalter. Notwendig wären sie nicht. Denn bei aller Freundlichkeit, sind die Briten doch sehr diskret.
Etwas überfordert ist der Kontinental-Europäer aber mit der Vielzahl der Angebote. Das betrifft die Campingplätze insgesamt, aber auch die „Pitches“ an sich. Man hat die Qual der Wahl zwischen Schotter-Stellplätzen („Hardstanding“) oder Graß-Pitches („Grass“), oder auch zwischen Plätzen, auf denen man sein Vorzelt („with awning“) aufbauen darf, oder eben auch nicht („without awning“).
Andere Kategorien wie mit oder ohne Trinkwasser, eigener Grauwasserabfluss sind aus Deutschland bekannt.
Das Verwirrspiel findet durch die unterschiedlichsten Formen von Campingplätzen ihren Höhepunkt. Neben den beiden großen Camping-Clubs, die außer clubeigenen Plätzen auch andere, freie Campingplätze auf ihren Homepages anbieten, findet man
- Farm-Campingplätze
- kleine Privat-Plätze
- „Britstops“: das Unternehmen bietet ähnlich wie Landvergnügen in Deutschland kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten beispielsweise auf den Parkplätzen von Pubs an.
Wer weniger vom strengen Reglement der englischen Club-Campsites hält, wird auf den erwähnten kleineren oder privaten Plätzen fündig. Da läuft es nicht so „posch“ ab. Die leere Bierflasche darf schon mal draußen auf dem Campingtisch stehen bleiben und der Rückweg vom Sanitärbereich zum WoMo geht oberkörperfrei.
In wenigen Ausnahmefällen vergisst allerdings selbst der britische Wohnmobilist seine feine englische Art. So erlebt auf einem Campingplatz in Weymouth.
Dort wehen über dem Platz jede Menge Fahnen an biegsamen Masten, die sich wie riesige Angelrouten im Wind krümmen. Mitgebracht von WoMo- und Wohnwagenfahrern, die anscheinend ihren Spaß daran haben, diese Peitschenmasten auch noch mit LED-Leuchten zu umwickeln und so des Nachts für Kirmes-Atomsphäre sorgen. Das kommt nicht bei allen Campern gut an.
Ich durfte ein Gespräch belauschen, in dem ein WoMo-Fahrer den Abbau zumindest der LED-Beleuchtung verlangte, die ihn in der Nacht um den Schlaf gebracht hatte. Das wurde kategorisch abgelehnt.
Tja, was soll ich sagen: Jedenfalls war das kein „Oxford-English“, in dem die beiden Kontrahenten verbal aufeinander einprügelten.
Und ich gebe zu: Ein ganz kleines bisschen Schadenfreude, aber wirklich nur ein ganz kleines bisschen, war dabei, feststellen zu dürfen, dass selbst die poschen Engländer mal die Fassung verlieren können.
Unser Gast-Autor: Thomas de Kiff
Ich bin 67 Lenze jung, nur 18 Jahre weniger in einer festen Beziehung zu meiner Frau Heike.
Auf die Probe gestellt wird diese Zweisamkeit durch unseren Umzug ins Wohnmobil vor gut zwei Jahren. Wir reisen durch Europa, sind im Winter im Süden und lieben das Herumziehen. Am selben Ort bleiben wir selten für eine längere Zeit.
Als Rheinländer liebe ich Frohsinn, leckeren Riesling von der Mosel und gute Gespräche.
Ach ja,… jobtechnisch habe ich Schüler an einem Gymnasium bespaßt. Wobei das einige der Betroffenen auch komplett anders sehen werden.