In den vergangenen zwei Wochen meldeten gleich drei Startups aus dem Bereich Wohnmobilvermietung Insolvenz an. Und bereits vor einigen Wochen gab es ähnlich Nachrichten, weil es mit der Insolvenz von Camper Base einen der großen Wohnmobilverkäufer getroffen hatte. Was ist der Grund für diese Entwicklung und warum gehen plötzlich 3 Wohnmobilvermietungen fast gleichzeitig insolvent?
Paul Pizzinini, einer der Mitgründer des Münchner Camping-Startups Off, schildert in einem LinkedIn-Post offen seine Ratlosigkeit. „Wir haben Insolvenz angemeldet.“ Der Beitrag beginnt mit dieser ernüchternden Nachricht und erzählt die Geschichte von Aufstieg und möglichem Scheitern seines Unternehmens.
Bereits 2016 starteten Paul Pizzinini und Andreas Mall mit der Vermietung eines 24 Jahre alten Campers namens „Woody“ in Fürstenfeldbruck bei München. Die Idee ging auf und 2019 folgte die Eröffnung einer ersten Mietstation mit 15 VW-Bullis am Münchner Flughafen unter dem Namen „CamperBoys“.
Inhaltsverzeichnis
Wohnmobil- und Camping-Boom
„2021: Der Camping-Boom setzt ein“, schreibt Pizzinini. Die CamperBoys expandierten und eröffneten weitere Stationen in Hamburg, Stuttgart, Düsseldorf und Halle. Bis 2023 war das Unternehmen massiv gewachsen: Es zählte insgesamt acht Vermiet-Stationen und dort waren zeitweise bis 100 Mitarbeitende beschäftigt. Der Boom im Wohnmobil-Markt war auch recht schnell für Investoren ein Thema und irgendwann ist ein Rebranding erfolgt: aus Camperboys wurde Off.
Doch dann begann der Boom zu bröckeln. „Das ursprüngliche Geschäftsmodell gerät aufgrund gestiegener Einkaufspreise, hoher Finanzierungskosten und sinkender Restwerte im Markt stark unter Druck“, erklärt Pizzinini.
Dieses Schicksal teilen jetzt fast zeitgleich gleich 3 bekannte Unternehmen der Branche. Innerhalb einer Woche meldeten drei Startups, die in verschiedenen Bereichen der Camping- und Caravaning-Branche aktiv sind, vorläufig Insolvenz an, wie das Magazin Gründerszene berichtet. Dazu gehört auch die Roadfans Insolvenz, über die wir bereits berichtet hatten.
wirtschaftliche Muster am Wohnmobilmarkt
Es ist leider kein Zufall, dass gerade 3 der größeren Vermietungen die Geschäfte schließen müssen. Es gibt deutliche Muster und Gründe für die gestiegenen Insolvenzzahlen. Wir haben hier für unsere Leser eine kleine und leicht verständliche Analyse gemacht und die versucht die Gründe zu erklären:
Grund 1: Gestiegene Einkaufspreise bei Wohnmobilen
Startups, Grownups und alteingesessene Unternehmen sind stark abhängig von Einkaufspreisen. Egal min welcher Branche: wer günstig einkaufen kann, wird höhere Deckungsbeiträge und Margen erwirtschaften. Oder wie mein altern BWL-Professor an der Hochschule immer zu sagen pflegte: “Im Einkauf liegt der Segen!”. Die riesige Nachfrage nach Wohnmobilen und Campern während der Pandemiejahre hatte die Preise massiv nach oben getrieben. Hinzu kommen gestiegene Lohnkosten, Produktionskosten und Mieten, die die Wohnmobilmarken in die Verkaufspreise einkalkulieren müssen.
Diese Marktentwicklung betraf nicht nur die Privatkunden, sondern wirkte sich auch auf die Einkaufspreise für Vermietungen aus. Eigentlich betreiben die Wohnmobilvermieter “nur” ein sogenannten Arbitrage-Geschäft, indem sie Einkaufsvorteile und Kapitalverfügbarkeit dazu nutzen, eine kleine Marge bzw. einen Gewinn zu erwirtschaften.
Beispielrechnung:
Leasing-Gebühr pro Monat: | 2.500,00 Euro |
Einnahmen pro Monat: | 3.000,00 Euro |
Marge pro Womo und Monat | 500,00 Euro |
Natürlich klingen 500,00 Euro pro Monat und Wohnmobil erstmal nach viel Geld. Aus unternehmerischer Sicht ist es das aber nicht, denn “Marge” ist noch lange nicht der reale Gewinn. In der Beispielrechnung fehlen sämtliche Kosten, die der Vermieter mit der Marge noch decken muss:
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- Mieten für die Stationen und Parkplätze
- Versicherungen
- Löhne & Gehälter
- sonstige Nebenkosten
- etc.
Im Falle der Camperboys/OFF kommt hier bei 8 Mietstationen und 100 Mitarbeitern einiges zusammen, was die Marge am Ende weitestgehend auffrisst oder sogar übersteigt. Bei Startups eigentlich nichts Besonderes – Wachstum kostet erstmal Geld und es ist völlig normal, dass neu gegründete Firmen jahrelang nicht profitabel sind und erst sehr spät “break-even” erreichen. Wenn sich dann aber der Markt und auch Faktoren wie Kapitalzinsen sehr volatil verhalten, kann das das Ende für da Startup bedeuten.
Und genau das ist hier passiert: die gestiegenen Einkaufspreise für neue Wohnmobile kamen faktisch sehr kurz nach der Gründung. Gepaart mit anderen Faktoren eine Zeitbombe.
Grund 2: Zinsanstieg und Kapitalmarkt
Fahrzeugvermietungen kaufen in der Regel das Inventar nicht, sondern leasen die Wohnmobile, Camper und Autos. Die monatlichen Leasinggebühren sind stark abhängig von den Kapitalmarktzinsen. Bei hohen Zinsen, steigen auch die Leasingkosten – wer gerade in den letzten 2 Jahren einen PKW geleast hat, der weiß wovon wir hier sprechen. Das gilt im übrigen auch für Finanzierungen, die immer zinsabhängig sind.
Als die Camperboys 2019 expandiert haben, sah sowohl der Angebotsmarkt für Wohnmobile, als auch die aktuelle Zinssituation ganz anders aus. Und ja, als Unternehmen muss man auf solche Events vorbereitet sein – eigentlich zumindest. Die Pandemie und ihre Folgen für den Wohnmobilmarkt konnte keiner voraussehen und der Zinsanstieg im März 2022 kam nicht ganz überraschend, aber dafür massiver als von vielen angenommen.
Egal ob man least oder finanziert: eine Verdreifachung der Zinssätze reißt gerade bei hochpreisigen Gütern wie Wohnmobilen und Campern die Deckungsbeiträge in den Keller. Und Kapitalgeber und Finanzierer lassen sich gerade bei Startups das Kreditausfallrisiko zinsseitig gut bezahlen. Soll heißen: Gründer zahlen in der Regel von Haus aus schon höhere Zinssätze. Steigende Zinsen für Finanzierungen der Wohnmobil-Flotte, zusammen mit zeitgleichem Anstieg der Einkaufspreise sind ein Pulverfass und schaffen eine wirtschaftliche Situation, die Unternehmen nur bedingt lange durchhalten können.
Grund 3: sinkende Restwerte für Wohnmobile und Camper
Der Restwert eines Wohnmobil bezeichnet die Summe, die man beim Verkauf eines gebrauchten Fahrzeugs am Privatmarkt noch maximal erzielen könnte. Vermietungen müssen nach einer gewissen Laufzeit, die Fahrzeuge aus dem Bestand wieder verkaufen – die Kunden erwarten neuwertige Womos und Camper mit wenig Abnutzungsspuren. In diesem Moment muss der Vermieter das alte Fahrzeug gewinnbringend verkaufen und gleichzeitig ein neues anschaffen.
Die Nachfrage am Gebrauchtmarkt bricht aber aktuell immer weiter ein. Und damit landen wir wieder bei einer betriebswirtschaftlichen Grundregel: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Viel Angebot und weniger Nachfrage bedeuten, dass die Preise nach unten gehen. Der potentielle Kunde hat genug Auswahl, im verkauf herrscht höherer Wettbewerb aufgrund des großen Angebots.
Am Ende des Tages können Wohnmobilvermieter aktuell viel weniger Geld aus dem Verkauf von gebrauchten Objekten schöpfen und damit erschwert sich die Refinanzierung von Neubestand.
Zu den aktuellen Preisentwicklungen am Markt gibt es hier eine sehr gute Zusammenfassung: https://www.caravanmarkt24.de/wohnmobilmarkt-2023-kippt
Grund 4: hohe Wettbewerbsdichte unter den Vermietern
Wer den Markt beobachtet weiß, dass in den letzten 5 Jahren zahlreiche Startups und kleinere Vermietungen wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Auch das ist betriebswirtschaftlich recht einfach zu erklären: bereits vor den Pandemiejahren war der Vermiet-Markt im Aufschwung, nicht zuletzt weil den Verbrauchern günstiges Geld quasi hinterher geschmissen wurde. Jeder konnte günstige Kredite mit Zinssätzen nahe der Null-Linie bekommen. Banken und Kreditinstitute waren unter Vertriebsdruck und haben produktbezogene Kredit-Pakete geschnürt: für Immobilien, Wohnungen und eben auch für Fahrzeugfinanzierungen aller Art. Autokredite waren günstig wie nie.
Dann kam die Pandemie und hat dazu beigetragen, dass alternative Formen des Reisen schlagartig an Popularität gewonnen haben. Die Hotels und All-Inklusive-Bunker waren fast weltweit geschlossen, es galten Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Das hat damals dazu geführt, dass Menschen nach Alternativen gesucht haben – und Wohnmobile und Camper schienen die Lösung zu sein, was die Nachfrage massiv gesteigert hat.
Und immer wenn solche neuen Marktlagen entstehen, versuchen Unternehmer Profit daraus zu schlagen. In diesem Fall sind viele Menschen auf den Zug aufgesprungen und haben versucht, sich mit Wohnmobilvermietung selbstständig zu machen. Das führt dann im Markt natürlich zu mehr Wettbewerb – und mehr Wettbewerb führt zu mehr Angebot, was dann in einem härteren Preiskampf mündet. Und dem waren Roadfans, OFF & Co. ebenfalls ausgeliefert.
Grund 5: sinkende Nachfrage, Inflation und Zukunftsangst
Die Nachfrage nach Wohnmobilen zur Miete sinkt! Ein Fakt, dem sich keiner widersetzen kann leider. Auch wir merken das hier auf womosuche.de in den Anfragen, die wir an die Vermietungen weitergeben. Gründe es es wahrscheinlich wie Sand am Meer, aber Inflation und Zukunftsangst spielen sicher die Hauptrolle. Urlaub und Reisen ist viel teurer geworden – wie die Lebenshaltungskosten im allgemeinen eben auch. Die Inflation ist aber nur ein Grund: die Verbraucher sind verunsichert, weil auch viele Arbeitsplätze nicht mehr ganz so sicher sind, wie noch vor 5-10 Jahren.
Als Resultat halten die Verbraucher ihr Geld zusammen und geben weniger fürs Reisen und eben auch für Wohnmobile aus. Als Startup hat man hier keine Chance dem Trend entgegen zu wirken, außer wieder an der Preisschraube zu drehen – die aber in der Regel schon maximal nach unten gedreht ist.
Feedback von unseren Vermietern
Wir haben als Plattform mit über 100 angeschlossenen kleinen und größeren Vermietern einen recht tiefen Einblick in die Marktsituation bzw. sind sehr regelmäßig im Austausch. Und das Feedback, das wir bekommen, hat eine sehr ähnlich Tonalität.
Wir bitten die angeschlossenen Vermieter regelmäßig darum, ihre Fahrzeugbestände zu updaten: alte Wohnmobile raus, neue Fahrzeuge rein. Immer häufiger erreicht uns dann Feedback wie: “Bestand bleibt erstmal so, wir können uns aktuell keine Neufahrzeuge anschaffen”, oder “Wir stellen unsere Vermietung zum 31.12. ein”. Gerade kleinere Vermietungen mit 3-5 Fahrzeugen gehören zu den Verlierern im Markt.
Ausblick in die Zukunft
Nüchtern betrachtet sehen wir aktuell eine ziemlich radikale Marktbereinigung nach einer schnellen Hochphase des Marktes. Emotional ist das auch für uns ein Rollercoaster, denn als Plattform für die Vermietung von Wohnmobilen sind wir natürlich auch stark betroffen von den Entwicklungen am Markt und leiden bei jeder Geschäftsaufgabe immer auch persönlich mit.
Wir sehen aber auch Licht am Ende des Tunnels und die positiven Seiten: Gerade bei alteingesessenen Campern und Wohnmobilisten war die regelrechte Schwemme von Wohnmobilen nicht gerne gesehen. Ein Rückgang der Zahlen könnte für mehr Ruhe auf Straßen und Plätzen sorgen. Der Markt wird sich konsolidieren und die Stärksten/Besten werden das Rennen machen – weniger Auswahl für den Enkunden, aber dafür hoffentlich gute Qualität.
Die Marktsituation wird sich insgesamt in den kommenden 12 Monaten stabiliseren – wenn auch auf niedrigerem Niveau. Wir bleiben auf jeden Fall dabei und versuchen unseren Besuchern einen guten Querschnitt durch Marken, Preise und Angebote zu liefern.