Bereits 2021 hatte ich als passionierte und pflichtbewusste Wohnmobilfahrerin an mein Wohnmobil die hübsch-hässlichen Aufkleber mit dem Schriftzug „Angles Morts“ angebracht. Seit 2022 sind sie nun Pflicht, wenn du mit einem Wohnmobil, dessen zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t überschreitet, die Grenze zu Frankreich passierst. Missachtung ist kein Kavaliersdelikt, sondern wird mit einem Bußgeld belegt.
Was „Angles Morts“ genau meint, was dahinter steckt und was damit verbunden ist, darüber möchten wir euch im Folgenden aufklären. Ich hoffe, am Ende des Beitrags alle deine noch offenen Fragen beantwortet zu haben.
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Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet „Angles Morts“?
Wenn man „Angles Morts“ wörtlich übersetzt, bedeutet es nichts anderes als „Toter Winkel“, und was das ist, müsste jeder wissen, der einen Führerschein besitzt. Auch wenn die französische Bezeichnung meiner Meinung nach schöner klingt, bedeutet es doch in beiden Fällen das Gleiche: Gefahr! Befindest du dich im toten Winkel eines Fahrzeuges, kann der Fahrzeuglenker dich nicht sehen, weder im Spiegel noch durch eine seiner Fahrzeugscheiben. Und das wiederum bedeutet beim Abbiegen oder Ausscheren beziehungsweise Spurwechsel seinerseits eine große – im schlimmsten Fall tödliche – Gefahr für dich.
Generell besitzen alle kompakten Fahrzeuge einen toten Winkel, gleichgültig ob PKW, LKW, Bus, Caravan-Gespann oder Wohnmobil. Genauer eingegrenzt, handelt es sich dabei um den Bereich hinter oder neben deinem Fahrzeug, den du trotz technischer oder anderer Hilfsmittel nicht einsehen kannst. Bei einem Wohnmobil ist besonders groß, da häufig an den Seiten – wie auch hinten – keine oder nur sehr hoch gelegene, kleine Fenster vorhanden sind und/oder Möbel die Sicht versperren.
Unfälle, die auf einen toten Winkel zurückgehen und das Übersehen eines Verkehrsteilnehmers zur Folge haben, betreffen mehrheitlich Fußgänger oder Zweiradfahrer. Ein im toten Winkel befindliches größeres Fahrzeug – so auch ein PKW – ist eher in der Lage, rechtzeitig zu hupen, was dich aufschreckt und vom Abbiegen, Ausscheren beziehungsweise Spurwechseln abhält.
Hauptsächliche Unfallschwerpunkte sind diesbezüglich Straßenkreuzungen, Einmündungen oder Spurwechselsituationen. Präventive Maßnahmen können Vor- und Umsicht sein, was jedoch auch wiederum in unserem Fall nicht immer ganz einfach ist, denn wo ich nichts sehe, kann ich auch nichts vermeiden, nur “übersehen”.
Welche Risiken betreffen Dich als Wohnmobilfahrer besonders?
Jeder von uns kennt die brenzligen Situationen, die mit dem toten Winkel in Verbindung stehen und wo dein Seitenspiegel versagt.
- Auf der rechten Seite außer dem Beifahrerfenster kein anderes Fenster – eventuell noch das undurchsichtige Milchglasfenster deiner Nasszelle – ist.
- Dir die Kopfstütze des Beifahrers oder verbaute Möbel die Sicht nach hinten versperren.
- Du alleine unterwegs bist und keinen Beifahrer hast, der sich einmal aus dem Fenster lehnen könnte, um nachzuschauen.
- Deine erhöhte Sitzposition in manchen Situationen ungünstig ist.
- Sich hinter dir ebenfalls kein oder ein viel zu hoch gelegenes Fenster befindet und der Schulterblick gar nichts bringt.
- Dir verbaute Möbel, die Sicht versperren.
- Deine erhöhte Sitzposition in manchen Situationen ungünstig ist.
Gefährlich kann es ebenfalls in Kreuzungsbereichen werden, wo die Straßen in einem derartig ungünstigen Winkel liegen, dass du sie nicht mal durchs Beifahrerfenster einsehen kannst. In dem Fall betrifft der tote Winkel die ankommende Straße.
Besonders schwer machen es dir Zweiradfahrer, die sich vor Ampeln gerne an dein Wohnmobil „kuscheln“, sich in deinem Windschatten halten, gerne Teilen – nämlich die Fahrspur – oder Motorradfahrer, die in einem Affenzahn an dir vorbeirauschen.
Tipps und Tricks, um das Risiko des Toten Winkels zu verringern
Folgende Maßnahmen können helfen, das Risiko eines Unfalls durch den toten Winkel zu minimieren:
Die geltenden Regelungen in Frankreich
Da auch in Frankreich das Problem mit dem toten Winkel und die damit auftretende Häufigkeit von Unfällen – leider auch viele tödliche – besteht, hat unser Nachbarland die Angles-Mortes-Kennzeichnung für LKWs, Busse und Wohnmobile über 3,5 t eingeführt, die ab diesem Jahr – also 2022 – Pflicht sind.
Auszug aus dem Originalgesetzestext in französischer Sprache
(Décr. no 2020-1396 du 17 nov. 2020, art. 1er, en vigueur le 1er janv. 2021) A l’exception des véhicules agricoles et forestiers, d’une part, et des engins de service hivernal et des véhicules d’intervention des services gestionnaires des autoroutes ou routes à deux chaussées séparées tels que définis respectivement aux points 5, 6.1 et 6.6 de l’article R. 311-1 du présent code, d’autre part, les véhicules dont le poids total autorisé en charge excède 3,5 tonnes doivent porter, visible sur les côtés ainsi qu’à l’arrière du véhicule, une signalisation matérialisant la position des angles morts.
Le modèle de la signalisation et ses modalités d’apposition sont fixés par arrêté conjoint du ministre chargé des transports et du ministre chargé de la sécurité routière
Le fait, pour tout conducteur, de contrevenir à l’obligation de signalisation imposée par le présent article et aux dispositions prises pour son application est puni de l’amende prévue pour les contraventions de la quatrième classe.
Mehr findest du unter www.securite-routiere.gouv.fr
Die Angles-Morts-Aufkleber
Der französische Tote-Winkel-Aufkleber ist ein offizieller Warnhinweis mit vorgegebenem Motiv sowie vorgegebener Größe (25 cm x 17 cm), der laut Gesetzesvorlage sowohl am Heck als auch auf den beiden Vorderseiten in einem genau vorgeschriebenem Bereich auf LKWs, Busse und Wohnmobile über 3,5 t anzubringen ist. Erforderlich ist die Kennzeichnung innerhalb ganz Frankreichs, auch für ausländische Fahrzeuge.
Welches sind die richtigen Schilder?
Da es hierzu gesetzliche Vorgaben gibt, darfst du nur die offiziellen Schilder an dein Wohnmobil anbringen.
Folgendes ist vorgeschrieben:
Für uns Wohnmobilfahrer gilt das Schild mit dem Bus. Die Begründung hierfür: Busse sind – wie Wohnmobile auch – zur Beförderung von Personen, LKWs zur Güterbeförderung, gedacht.
Welche unterschiedlichen Aufkleber gibt es?
Im Handel findest du folgende Angebote:
Festklebende, aus polymerem PVC bestehende Folienschilder, die witterungsbeständig, kratzfest sowie vergilbungsfrei sein und bis zu acht Jahre halten sollen. Erfahrungsgemäß kann ich sagen, dass diese Schilder sogar die Waschstraße beziehungsweise den Hochdruckreiniger überleben. Sie sind leicht aufzukleben, aber schwierig wieder abzubekommen.
Ablösbare Schilder, die für kurze beziehungsweise einmalige Aufenthalte in Frankreich gedacht sind und nicht besonders lange halten. Für diesen Zeitraum sollen sie jedoch wind- und wetterbeständig sein. Hochdruckreiniger sowie Waschstraße würde ich jedoch vermeiden. Was den Preis anbelangt, sind sie geringfügig günstiger. Der große Vorteil besteht darin, dass sie ohne Hilfsmittel und ohne Rückstände zu hinterlassen, problemlos wieder abgelöst werden können.
Magnetfolien haben den Vorteil, dass du nicht dauerhaft mit diesen hässlichen Aufklebern – Und das sind sie nun mal! – herumfahren musst, da du sie abnehmen kannst, wenn du dich außerhalb Frankreichs befindest. Ein weiterer Vorteil – vor allem für diejenigen, die unterschiedliche Wohnmobile fahren (z.B. Vermietung) – besteht darin, dass sie an unterschiedlichen Fahrzeugen angebracht werden können. Somit ist auch ein Ausleihen an Freunde denkbar. Die etwas teureren Magnetfolien sind kratzfest sowie UV- und witterungsbeständig. Vorm Befahren einer Waschstraße oder der Reinigung mit dem Hochdruckreiniger solltest du sie jedoch abnehmen. Logischerweise haften sie nicht auf Aluminiumflächen.
Ich habe mich dennoch gegen Magnetschilder entschieden, da ich befürchte, dass sie geklaut werden könnten. Dem könnte ich vorbeugen, indem ich sie vor Ort beim Parken entferne. Allerdings befürchte ich, dass ich dann schnell vergesse, sie wieder anzubringen. Stattdessen besitze ich festklebende (sehr fest!) Angles-Morts-Schilder, weil ich sehr viel nach und durch Frankreich fahre.
Was kosten die Aufkleber und wo sind sie zu haben?
Je nach Art – siehe oben – und Anbieter schwankt der Preis. Momentan liegt die Preisspanne zwischen 1,40 €/Stück und knapp 10 €/Stück (Magnetschilder). Beim Kauf mehrerer Schilder (schließlich benötigst du ja drei!) reduziert sich häufig der Preis.
Wie und wo werden Schilder befestigt?
Offiziell ist jegliche Anbringungsform erlaubt, sogar eine Karosserie-Bemalung des Hinweisschildes, wenn diese den Vorgaben entspricht.
Laut Gesetz benötigt jedes Fahrzeug über 3,5 t drei solcher Warnhinweise an je genau folgenden Stellen:

Dabei ist folgendes zu beachten:
Ich persönlich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass französische Polizisten bei einer Kontrolle mit dem Zollstock nachmessen und Abweichungen – selbst gröberen – zur Anzeige schreiten. Ich denke, dass es generell darum geht, überhaupt drei solcher Aufkleber zu haben.
Was ist mit verdeckten Schildern am Wohnmobilheck?
Etliche Wohnmobile haben entweder einen Fahrradträger, eine Box oder gar einen Anhänger, die die sachgerecht angebrachte Angles-Morts-Kennzeichnung verdeckt. Was tun? Eine offizielle Antwort hierzu habe ich nirgendwo gefunden und es existieren meiner Meinung nach auch noch keine juristisch angegangenen Fälle hierzu. Bei anderen Dingen – etwa dem Nummernschild o.ä. muss wie folgt vorgegangen werden: Wird das Schild/die Kennzeichnung verdeckt, muss es wiederholt an der Box, am Anhänger, an der Abdeckplane o.ä. angebracht werden. Um auf Nummer Sicher zu gehen, würde ich beim Angles-Mortes-Schild ebenso verfahren.

Strafen bei einem Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht
Seit dem 01.01.2022 kostet es Strafe, wenn du ohne die entsprechenden Aufkleber erwischt wirst, wobei sich der Betrag nach der französischen Verstoßklasse 4 richtet. Die möglichen Bußgeldbeträge in dieser Klasse liegen offiziell zwischen 90 € und maximal 750 €; im Netz ist jedoch die Rede von einem Bußgeld über 135 Euro bei Missachtung der Verordnung.
Da sowohl Deutschland als auch Frankreich in der EU sind, kann auch ein in Frankreich verhängtes Bußgeld von mindestens 70 Euro innerhalb Deutschlands und anderen EU-Ländern ohne Probleme vollstreckt werden. Hierbei gilt eine Verjährungsfrist von zwei Jahren.
Schaden die Schilder dem Lack?
Wenn du bestimmte Dinge beachtest, schonst du den Lack deines Wohnmobils maximal und wirst keine Schäden verbuchen müssen:
Und so geht’s: Säubere die Fläche von Staub und achte darauf, dass das Schild weder Zierleisten noch Kanten oder Glas berühren. Angle-Morts-Schild nun dort positionieren, wo es hingehört, langsam absenken und anschließend sanft andrücken.
- Vor der Reinigung deines Wohnmobils solltest du das Magnetschild abnehmen (und am besten ebenfalls reinigen), da es sich beim Waschen verschieben und somit Kratzer verursachen könnte.
- Alle anderen Angles-Morts-Aufkleber können direkt auf den gesäuberten Untergrund geklebt werden, natürlich auch, ohne Zierleisten, Kanten oder Glas zu berühren. Zum Ablösen bitte keine „scharfen“, also lösungsmittelhaltige Mittel verwenden.
Benötigen Gespanne auch eine Kennzeichnung?
Die offizielle Version spricht von „Fahrzeugen über 3,5 t“, was nahelegt – so auch die Aussage des ADAC –, dass nur dann die Angles-Morts-Schilder an einem Teil (Zugmaschine oder Anhänger) anzubringen sind, wenn dieses die 3,5-Tonnen-Grenze überschreitet. Merkwürdigerweise müssen demnach laut ADAC Gespanne, wenn deren zusammengerechnetes zulässiges Gesamtgewicht die 3,5 Tonnen überschreitet, keine Kennzeichnungen vorweisen.
Ein paar kritische und persönliche Anmerkungen zu dem Thema
Lass mich abschließend ein paar – sicherlich auch provokative – Bemerkungen zum Thema machen, die ich in Form von Fragen und Antworten formulieren möchte. Du kannst sie ignorieren, mir unbekannterweise Beifall klatschen, uns schreiben oder auch den Kopf schütteln beziehungsweise widersprechen.
Fazit
Es hilft nichts, endlose Diskussionen anzuzetteln oder sich unnötige Gedanken zu machen, Verordnung ist Verordnung, selbst wenn sie an einigen Stellen für manch einen von uns ziemlich haarsträubend erscheint. Sich über die Hässlichkeit der Schilder am Wohnmobil aufzuregen, hilft ebenfalls nichts. Du kannst es vermeiden, indem du dir entweder ein Wohnmobil unter 3,5 t zulegst (Ob sich das lohnt?) oder nicht mehr nach oder durch Frankreich fährst (Für mich unvorstellbar!).
Das Anbringen dieser Angles-Morts-Kennzeichnung schützt dich übrigens bei einem verschuldeten Unfall weder vor Strafe noch davor, bestimmte Vorsichtsmaßnahmen (siehe weiter oben) zu beachten.
Bildnachweis: canva.com